Aus der „Internationalen Vorbereitungsklasse“ in die Gymnasiale Oberstufe

Nafean Nasr (EF) und Jerome Agyeman (Q1) besuchen die Gymnasiale Oberstufe an der EBGS. Begonnen hat ihr Weg hier bei uns in der IVK, einer sogenannten Internationalen Vorbereitungsklasse. Diese Klasse wurde entsprechend der Regularien des Landes eingerichtet, um neu zugewanderte Kinder und Jugendliche schnellstmöglich mit der deutschen Sprache und den kulturellen und schulischen Konventionen vertraut zu machen. Hier sollen sie befähigt werden, am Fachunterricht in Regelklassen teilzunehmen.
An der EBGS gibt es seit 2016 eine IVK, Koordinator ist Horst Kraska. Der Erfolg dieser wichtigen Arbeit zeigt sich an SchülerInnen wie Jerome und Nafean, die nur beispielhaft für viele stehen, die sich an unserer Schule toll entwickelt und eingelebt haben.
Sie wollen ihre Geschichten erzählen – als Mutmacher, als Motivatoren, zur Erinnerung..

Ich bin Nafean Nasr und hier ist meine Geschichte: Ich bin 2016 im Alter von elf Jahren von Syrien nach Deutschland geflüchtet. Als ich in Deutschland ankam, konnte ich natürlich kein Wort Deutsch und alles war neu für mich, die Kultur und die Menschen. Also musste ich alles neu lernen und es war nicht einfach, aber ich wusste, dass ich was aus meinem Leben machen möchte.
Zwei Monate nach meiner Ankunft wurde ich an der EBGS eingeschult und hatte natürlich Angst, aber war auch sehr aufgeregt, da ich gespannt war, was auf mich zukommen würde und vor allem, wie ich damit umgehen werde. Da ich kein Deutsch konnte, wurde ich ein Teil der IVK, zudem gehörte ich noch einer regulären Klasse an. Diese Klasse gab mir nie das Gefühl, dass ich irgendwie anders bin. Das System in Deutschland ist anders als das, was ich kannte, also habe ich das System nicht sofort verstanden. Aber als ich das System an der EBGS verstanden hatte, wusste ich, dass ich an meinen Noten und vor allem an meinen Kursen was ändern muss.
Und jetzt, in dem Moment, indem du das liest, bin ich in der EF und beiße mich immer noch durch. Also ist meine Geschichte hier noch nicht zu Ende. Du fragst dich, warum ich meine Geschichte mit dir teile? Damit dir klar wird, dass du nicht aufgeben sollst, denn es ist immer möglich, seine Träume zu erfüllen.

Jerome Agyeman ist mein Name. Ich bin 18 Jahre alt und komme aus Ghana, Afrika. Seit Februar 2017 lebe ich in Deutschland, das sind jetzt sechs Jahre. Meine Ankunft war durch Verlustängste und das Zurücklassen meines ganzen Lebens in meiner Heimat geprägt. In Ghana ging es mir bestens. Ich habe nie verstanden, wieso viele der Ansicht sind, dass es allen Afrikanern so schlecht gehen würde. Zwar sind unsere Politiker und das rechtliche System sehr korrupt, wovon ich schon im jungen Alter mitbekam, aber persönlich hatte ich nie wirklich Sorgen. Der Grund meiner Einreise nach Deutschland war die Familienzusammenführung. Das war es ja auch. Nur hatte ich mehr Ängste, als dass ich mich darüber freute, meine Eltern seit ungefähr zehn Jahren wiederzusehen.
Das Motiv vieler Menschen, die ihre Heimat verlassen, besteht in der Hoffnung auf ein besseres Leben im Ausland. Das war auch das Motiv meiner Eltern, als sie Ghana verließen. Ich lebte dann ab meinem fünften Lebensjahr mit meinem Bruder bei meiner Oma. Sie kann dieses Schreiben zwar nicht lesen, aber ich bedanke mich sehr bei ihr, dass sie es all die Jahre mit uns aushielt.
Aus Ängsten gewann ich schließlich Energie und Motivation. Beispielsweise herrschte in mir eine sehr große Angst davor, vor allem aufgrund der Sprachbarriere meine Träume nicht verwirklichen zu können. Ich wollte damals sehr gerne in der Bank arbeiten und mich dort hocharbeiten. Der Schuleinstieg in Deutschland blieb mir wegen der Sprache zunächst verwehrt. So hätte ich meinen Traum, doch gleich vergessen können, dachte ich mir zumindest.
Fast keine der Schulen in unserer Nähe bot Förderungsmöglichkeiten an, die deutsche Sprache als Fremdsprache zu erlernen. Ich blieb dementsprechend ein wenig länger zu Hause. Mein Bruder konnte schon bald in die Grundschule. Während der Zeit, in der ich zu Hause blieb, machte ich mich mit Grundlagen vertraut. Ich lernte das Alphabet, gewisse Grammatikformen brachte mir meine Cousine bei und ich lernte im Alltag gebräuchliche Vokabeln sowie Ausdrücke auswendig.
Als ich dann die Nachricht bekam, dass ich bald in die Schule gehen dürfte, war ich sehr froh, hatte aber gleich auch wieder Angst. Froh, da ich meinen Träumen so doch ein wenig näher kam und ängstlich, da ich nicht wusste, wie ich mich mit der Sprache schlagen würde. Würde es mir gelingen, diese schnell genug zu erlernen? Jedenfalls war mir klar, dass ich mich sehr bemühen musste. Aus Angst wurde ganz viel Motivation, weswegen ich mich darüber nicht beklage.
Mein Schulalltag begann damit, dass ich zunächst einen Deutschkurs an der EBGS besuchte. Täglich lernten wir Neues. Das Sprechen sowie das Schreiben wurden intensiv geübt. Dementsprechend schmiss man mich nicht direkt ins kalte Wasser, da ich nicht sofort in den regulären Schulalltag einsteigen musste. Nach einem Jahr Sprachelernen fing ich an, einzelne Stunden, beispielsweise den Matheunterricht, zu besuchen. Trotz dieses Einstiegs bat man uns weiterhin sogenannte IVK-Stunden an. Wir durften uns zu dieser Zeit Hilfe bei Verständnisfragen holen, vor allem hinsichtlich sprachlicher Schwierigkeiten, die während der Erledigung von Aufgaben auftraten.
Ich bin sehr dankbar darüber, dass ich eine gewisse Sprachbegabung besitze, die mir neben der Förderung in der IVK dazu verhalf, die Sprache schnell zu erlernen. Ich erlebe immer wieder, dass vielen Menschen aufgrund der Sprachbarriere, die auch mir eben viel Angst bereitete, unzählige Möglichkeiten vorenthalten bleiben.
Mittlerweile bin ich in der Oberstufe. Ich habe gute Freunde gefunden, mit denen ich gerne unterwegs bin. Ich muss mich unter Ihnen gar nicht mehr verstellen. Das hat mich früher viel Kraft gekostet. Zudem bin ich selbstsicherer und fürchte mich nicht mehr davor, mal was Falsches im Unterricht zu sagen oder etwas falsch auszusprechen.
Hiermit möchte ich dieses Schreiben beenden. Ich weiß nicht, wem es dort draußen helfen könnte, hoffe aber, dass sich zumindest einer hiervon angesprochen oder ermutigt fühlt.